Traditionen der Informatik

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Einleitung

Die Traditionen der Informatik sind Versuchungen die Theorie, die Modellierung und das Design von Programmen einem mathematischen, wissenschaftlichen oder ingenieurswissenschaftlichen Ursprung zuzuordnen. Eine Tradition, die ganz allein als Ursprungstheorie der Informatik benannt ist, existiert nicht. Verfechter und Kritiker diskutieren immer noch Bezugspunkte der Informatik und deuten diese. Basierend auf der Veröffentlichung „Three traditions of computing: what educators should know“ von Tedre und Sutinen (2008) werden die drei Theorien hier aufgearbeitet.

Die Traditionen

Die Mathematische Tradition  

Die Mathematische Tradition ist diejenige Tradition, die bisher am längsten mit anderen Disziplinen in Verbindung gebracht wird. Bereits im antiken Griechenland enge Verbindungen zwischen der Mathematik und anderen akademischen Disziplinen erkannt wurden. Die Argumentation der Wissenschaftler bisher lautet, dass die Mathematik die Quintessenz des Wissens und der Fähigkeiten ist. Die Aussage wird auch von einer Veröffentlichung von Denning et al. im Jahr 1989 gestützt. In dieser Veröffentlichung beschreibt er: „Theorie ist das Fundament der mathematischen Wissenschaften.“ Weiter formuliert er, dass Wissenschaft nur auf der Grundlage einer soliden Mathematik vorankommen kann. Hieraus wird ersichtlich, dass die Mathematik eine große Beziehung in die anderen Bereiche der Wissenschaft haben muss, damit auch diese weiterentwickelt werden können. In Bezug auf die Informatik hat Hoare einige Veröffentlichungen zu dem Bezug herausgebracht. In einer Veröffentlichung aus dem Jahr 1969 stellt er die These auf, dass Programme a priori Wissen darstellen und somit Testen zum Erlangen von Wissen entfällt. Laut Tedre und Sutinen (2008) heutige Befürworter sind in ihren Veröffentlichungen deutlich zurückhaltender als Hoare.  

Als Quintessenz des Wissens und der Fähigkeit bezeichnen viele Wissenschaftler, darunter auch der Forscher Peter J. Denning im Jahre 1989, die Mathematik. Denning (1989) sah die Theorie der Mathematik als „das Fundament der mathematischen Wissenschaft” und dass die Wissenschaft nur auf Grundlage solider Mathematik vorankommen kann. Hoare (1969) veröffentlichte die These, dass Programme a priori Wissen darstellen und somit Testen zum Erlangen von Wissen entfällt. Heutige Befürworter sind in ihren Veröffentlichungen deutlich zurückhaltender als Hoare.

Die mathematische Tradition findet in der Informatik besonders durch die Anwendung von theoretischem und formalem Wissen statt. Dieses wird von der Informatik erweitert und/oder verfeinert. Aber auch die Algorithmen sowie theoretische Strukturen sind in der Informatik besonders im Bereich der Programmentwicklung. Das größte Problem in der Zuordnung der Informatik zu der Mathematik besteht laut Kritikern darin, dass die Bereiche der Informatik nicht direkt beweisbar sind. Die Beweisführung nimmt in den mathematischen Bereichen allerdings eine sehr wichtige Rolle ein. Probleme in der Beweisführung entstehen vor allem dadurch, dass es mathematisch nicht beweisbar ist, wie sich Elektronen in Schaltungen, und somit auch im Computer verhalten. Darüber hinaus ist es besonders bei Programmen besonders schwierig zu definieren, wann der Begriff „korrekt“ genau erreicht ist. So führen Tedre und Sutinen (2008) etwa unterschiedliche mögliche Definitionen von „korrekt“ an. So wird ein Programm von einigen als korrekt angesehen, wenn es fehlerfrei programmiert wurde. Andere halten ein Programm für korrekt, wenn dieses nach einem Modell arbeitet, oder wenn die Ausführung „häufig“ erfolgreich ist. Es zeigt sich, dass keine genaue Definition für ein korrektes Programm gegeben werden kann. Ohne eine konkrete Definition kann ein Programm in manchen Situationen korrekt sein und in manchen nicht. Diese Problematik wird als Kritik an dem Bezug zur mathematischen Tradition angesehen.

Es ist schwierig zu definieren, wann bei Programmen der Begriff “korrekt” genau erreicht ist. In der Veröffentlichung Tedre und Sutinen (2008) werden unterschiedliche mögliche Definitionen von „korrekt“ angeführt. Eine richtige Definition des Begriffs “korrekt” existiert noch nicht, da einige ein fehlerfreies Programm, andere eine Abarbeitung nach Modell und letztlich andere ein “häufig” erfolgreich ausgeführtes Programm als “korrekt” ansehen. Ohne eine konkrete Definition kann ein Programm in manchen Situationen korrekt sein und in manchen nicht. Diese Problematik wird als Kritik an dem Bezug zur mathematischen Tradition angesehen.

Die wissenschaftliche Tradition

Im Gegensatz zu der mathematischen Tradition ist der wissenschaftliche Charakter am umstrittensten. Der Grund hierfür ist die Frage, ob die Informatik eine Wissenschaft darstellt, welche denselben Sinn verfolgt, wie z.B. eine Naturwissenschaft. Die Naturwissenschaft ist dadurch gekennzeichnet, dass hier natürliche und künstliche Phänomene untersucht werden. Laut Tedre und Sutinen (2008) sind einige Wissenschaftler allerdings auch der Ansicht, dass die Informatik in diesem Sinne eine Wissenschaft darstellt.  

Die Informatik bedient sich unter anderem der Modellierung von Informationsprozessen aus dem Bereich der Wissenschaft. Allerdings spielen auch die Genauigkeit und die Validität eine nennenswerte Rolle. Darüber hinaus ist das Verstehen der Welt, bei der Informatik bezogen auf den Bereich der Informatik, von Relevanz. Alle diese Methoden werden verwendet, um Phänomene zu erforschen und daraus Entdeckungen zu entwickeln.  

Laut Tedre und Sutinen (2008) ist die Umstrittenheit der Zuordnung der Wissenschaft zur Informatik auf die Problematik einer Übertragbarkeit der beiden Gebiete zurückzuführen. Für die Definition der Wissenschaft sei das Streben nach Objektivität eine der wichtigsten Voraussetzungen. Zudem herrsche eine große Uneinigkeit darüber, was die Informatik genau ist und wie genau Informatiker arbeiten. Forscher arbeiten daran, Probleme zu finden und diese zu verstehen. Neben der Abgrenzung gegenüber anderen Problemen und Bereichen ist die Überzeugungsarbeit zur Lösung der Probleme eine Aufgabe, die von Forschern angegangen wird.

Der Hauptkritikpunkt der beiden Autoren ist, dass die Wissenschaft natürliche Probleme untersuche, während die Informatik sich mit künstlichen, vom Menschen geschaffenen Problemen beschäftigt.

Die Ingenieurswissenschaftliche Tradition  

Die ingenieurswissenschaftliche Tradition befasst sich nach Tedre und Sutinen (2008) mit von Menschen geschaffenen (digitale) Artefakten. Diese können auch greifbar sein. Die Ursprünge der Informatik liegen gleichermaßen in der Mathematik wie auch in den Ingenieurswissenschaften. Begründet wird dies dadurch, dass viele Wendepunkte der Informatik nur durch technologische Durchbrüche zu Stande gekommen sind. Die Bedeutung und der Beitrag der ingenieurswissenschaftlichen Sicht sind in der akademischen Disziplin der Informatik damals sehr umstritten gewesen, allerdings gewann diese mit der Zeit immer mehr an Bedeutung. Von Brooks wurde im Jahr 1996 eine Verbindung zwischen Wissenschaftlern und Ingenieuren gezogen, indem er in einer Veröffentlichung aufzeigt, dass beide Apparate bauen und verfeinern. In dem Zitat bleibt das eindrückliche Teilzitat: „Wissenschaftler bauen, um zu studieren, Ingenieure studieren, um zu bauen.“ Daraus lässt sich ableiten, dass es in der Informatik darum geht Dinge umzusetzen und nicht darum, etwas zu entdecken.

In der Informatik wird häufig etwas konstruiert, wie z.B. Programme. Die Konstruktion ist, wie im Zitat von Books angeklungen, der „Bau-Aspekt“ der ingenieurswissenschaftlichen Tradition wie auch der Informatik. Mit den entwickelten Programmen wird die Welt beeinflusst, verändert oder gestaltet. Auch dies ist ein signifikantes Indiz auf die ingenieurswissenschaftliche Tradition. Ebenfalls sind die Bereiche der Effektivität, Nützlichkeit und Zuverlässigkeit wichtige Bereiche sowohl in den Ingenieurswissenschaften als auch in der Informatik. Schlussendlich geht es in beiden Bereichen auch um Erfindungen und Produkte.  

Allerdings gibt es auch bei der Zuordnung zu dieser Tradition wieder einige kritische Stimmen. Einer der am häufigsten genannten Kritiker ist Edsger Dijaktra. Dijaktra (1972, 1989) stellt den Bezug zur Ingenieurswissenschaftlichen Tradition in Frage, obwohl der technische Bezug zur Informatik nicht von der Hand zu weisen ist. Ein weiterer Kritikpunkt ist laut Tedre und Sutinen, dass es in der Entwicklung von Software keine strengen Regeln gibt an die sich gehalten werden muss. Auch Holloway greift diesen Punkt in seiner Veröffentlichung aus dem Jahr 1995 auf, in dem er die Arbeit der Informatiker als zu wenig objektiv beschreibt. Eine ähnliche Kritik konnten wir bereits bei der Zugehörigkeit zur Wissenschaftlichen Tradition erkennen.  

Fazit

Viele Bereiche der Informatik greifen auf Bereiche der drei genannten Traditionen zurück. Allerdings ist auch deutlich geworden, dass die einzelnen Traditionen nicht vollständig auf die Disziplin der Informatik übertragbar sind. Dies zeigen unter anderem auch die jeweiligen Kritiker in ihren Veröffentlichungen auf.

Referenzen

Brooks, F.P. Jr. (1996). The computer scientist as toolsmith II. Communications of the ACM, 39(3), 61–68

Denning, P.J. (Chairman), Comer, D.E., Gries, D., Mulder, M.C., Tucker, A., Turner, A.J., & Young, P.R. (1989). Computing as a discipline. Communications of the ACM, 32(1), 9–23

Dijkstra, E.W. (1972). The humble programmer. Communications of the ACM, 15(10), 859–866 Dijkstra, E.W. (1989). On the cruelty of really teaching computer science. Communications of the

ACM, 32(12), 1398–1404 Hoare, C.A.R. (1969). An axiomatic basis for computer programming. Communications of the ACM, 12(10), 576–580

Holloway, C.M. (1995). Software engineering and epistemology. ACM SIGSOFT Software

Engineering Notes, 20(2), 20–21

Tedre, M., Sutinen, E. (2008) Three traditions of computing: what educators should know